von Hans Hammel
Was geschah in der Welt Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts? Es fanden in der damaligen
Bundesrepublik Deutschland die bis dahin grössten Demonstrationen von Atomkraftgegnern statt, in Bonn demonstrierten Hunderttausende gegen ein neues Wettrüsten, der zum 40. Präsident der Vereinigten
Staaten gewählte Präsident Ronald Reagan beschloss den Bau der Neutronenwaffe, deren Strahlung bei Mensch und Tier tödlich wirkt, jedoch kaum Sachschäden verursachen soll; in Spanien sterben mehrere
hundert Menschen an verunreinigtem Olivenöl, Tausende trugen dauerhafte, körperliche Schäden davon; in den westlichen Industriestaaten wurden irrsinnige Nahrungsmittelüberschüsse produziert, während
die Hungersnöte in den Entwicklungsländern erschütternde Ausmaße angenommen hatten.
Wer denkt angesichts solch bedrohlicher Nachrichten noch an geschundene Tiere in Massentierhaltungen und grausam
gequälten Lebewesen in den Versuchslaboren der Pharma- und Kosmetikindustrie...
Eben immer nur eine Handvoll tierlieber Menschen, wie auch jene, die sich auf eine von Gisela Binder Mitte des
Jahres 1983 aufgegebene Zeitungsanzeige meldeten, das Ziel vor Augen, einen Verein zu gründen, um mit vereinten Kräften Tieren in Not zu helfen.
Verstanden sie sich in erster Linie als “Tierversuchsgegner”, so sahen sie neben der Realisierung von Maßnahmen
gegen Laborversuche mit Tieren und gegen die Massentierhaltung und Pelztierzucht auch die Notwendigkeit, den Zusammenhang von durch kommerzielle Absichten gesteuertem Missbrauch von Tieren und dem
weltweit voranschreitendem ökonomischen, ökologischem und humanitärem Desaster herauszustellen und zu überlegen, welchen konstruktiven Beitrag man gegen die Missstände leisten
könnte.
Neben Gisela Binder zählten Bruna Hammel, Walburga und Petra Kesselring, Ulrike und Peter Jelinek, Vera Kohl und
ihre Mutter zu den Mitstreitern der ersten Stunde. Sehr bald kamen auch Günter Galle, dem der Weg von Ludwigshafen hierher nicht zu weit war, Susanne und Hans Hammel, Jürgen Weisenborn mit Freundin
Petra und Frau Weinsberger zu der hochmotivierten Gruppe.
Die Mitglieder hatten sich darauf geeinigt, bei ihren Zusammentreffen in den Lokalen als Zeichen ihrer gemeinsamen
Haltung keinerlei Fleisch- oder Wurstwaren zu verzehren. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass es ihnen gelang, eine Reihe von Restaurantbesitzern zu überzeugen, Schildkrötensuppe, Froschschenkel
oder Gänseleberpastete von der Speisekarte zu streichen.
Um die legitimen Absichten ihrer Tätigkeit zu verdeutlichen und vor allem bei durchzufürenden Aktivitäten
handlungsfähig zu sein, wandten sich vorgenannte Mitglieder an den Tierschutzverein Neustadt / Weinstr., mit der Bitte um Zusammenarbeit. Dieser bestätigte noch im Jahr 1983 schriftlich, dass die
Dürkheimer Tierschützer autorisiert sind, im Sinne einer “Untergruppe” des Neustadter Vereins eigenständig die Aufgaben des Tierschutzes wahrnehmen zu können, ohne den langwierigen Behördenweg
abwarten zu müssen.
In den folgenden Monaten kamen zu den regelmäßig wöchentlich, generell freitags abgehaltenen Treffen immer mehr
Interessierte. Es wurden Informationen ausgetauscht, Literatur und Flugblätter anderer Vereine ausgeteilt und diskutiert. Ging es doch darum, Aktionen vorzubereiten, Unterschriftensammlungen,
Teilnahme an Demonstrationen, Mahnwachen vor Unternehmen mit Versuchslaboren zu organisieren. Auch wichtig war das Verteilen von Aufklärungsmedien an die Bürger, beispielsweise der Aufruf zum
Verzicht auf Pelze, die Passanten vor Pelzgeschäften in verschiedenen Städten in die Hand gedrückt wurden. Der Dürkheimer Verein kommunizierte bald bundesweit mit anderen Vereinen, fuhr zu
Kundgebungen, Großveranstaltungen und Strassendemonstrationen, u. a. nach Stuttgart, München, Heidelberg, Mainz und Straßburg.
Einige Monate nach Gründung dieses “Basisvereins” stießen auch Elisabeth Nahm und Birgit Nickl dazu. Verfügte
Elisabeth Nahm über einen großen Fundus an Informationen, die der Öffentlichkeit nicht zugängliche Versuchslabore betrafen, war sie auch besonders befähigt, gegen eben diese Labore plausibel zu
argumentieren. Besonders Birgit Nickls Engagement ist es zu verdanken, dass der Verein im Jahr 1984 in das Vereinsregister eingetragen werden konnte. Die Tatsache, dass von Anfang an das Bestreben
des Vereines auf die Verhinderung des kommerziellen Missbrauchs von Tieren ausgerichtet war, führte zur Festlegung des Vereinsnamens Bürger gegen Tiermissbrauch Das Logo, ein mit senkrechten
“Gitterlinien” durchsetzter Tierkopf, entwarf der Graphiker Hans Hammel.
Nach erfolgter Eintragung ins Vereinsregister und Anerkennung der “Gemeinnützigkeit”, konkretisierte sich dann auch
die Erwartungshaltung der Stadt und der Bürger bezüglich der Vereinsaktivitäten. War noch in der Anfangszeit das Fangen und Kastrieren von freilebenden Katzen, so gewann der “Tierschutz vor Ort”
immer mehr Bedeutung.
In diesem Zusammenhang wurde der Ruf der Mitglieder nach einem eigenen Tierheim laut. Nun hätte die Stadt auf
Ersuchen des Vereins ein Grundstück zur Verfügung gestellt und sogar den Bau von Boxen, Gehegen und Aufenthaltsräumen übernommen, doch scheiterte das Vorhaben daran, dass die Stadt aus finanziellen
Gründen nicht in der Lage war, hauptamtliche Tierpfleger einzustellen und sich andererseits nicht genügend ehrenamtliche Tierschützer fanden, die sich vertraglich verpflichteten, sich über Jahre den
Anforderungen und Verpflichtungen zu stellen. Also mussten auch in Zukunft misshandelte oder aufgegriffene Tiere vorrübergehend im städtischen Bauhof oder in Privaträumen der Vereinsmitglieder
untergebracht werden. In besonderen Fällen ist es weiterhin nötig, Tiere ins Tierheim Neustadt zu bringen.
Auch heute finanziert sich der Verein, neben Spenden und Mitgliedsbeiträgen, über Flohmärkte auf dem Römerplatz. Mit
dem Eintritt des Vereins in den Deutschen Tierschutzbund e.V. wurde der Name um den Zusatz “Tierschutzverein” erweitert.